Pro analog

by - Juli 06, 2009

Nach der Analogkäse-Panik geht es ja gerade ohne Atempause medientechnisch mit der Schinkenimitat-Wut weiter - und gerade Hessen scheint hier betroffen zu sein:

Seit 2006 wurden nach Mitteilung des Ministeriums vom Freitag in Hessen insgesamt 528 Proben bei Gastronomen, Herstellern und Händlern genommen. Dabei fanden die Lebensmittelkontrolleure heraus, dass in fast jedem dritten Fall Schinkenimitat verwendet wurde. Erst vor kurzem hatte es Kritik an Käse-Imitaten gegeben, die statt echtem Käse etwa auf Pizzen landen.

Besonders häufig waren beim Schinken die Beanstandungen in Gaststätten, wo in zwei Dritteln aller Fälle etwa für Pizza oder Schinken-Nudeln nur das billige Imitat verwendet worden war. Es bestehe zum großen Teil «aus schnittfestem Stärke-Gel, in das kleine Fleischstücke eingebettet sind», sagte Weinmeister. Der Fremdwassergehalt sei im Vergleich zu echtem Schinken sehr hoch, der von tierischem Eiweiß hingegen extrem niedrig. «Das ist üble Verbrauchertäuschung.» (Quelle)

So richtig lecker klingt die Beschreibung des Käses auch nicht:

Das Käse-Imitat - auch Analog-Käse genannt - wird aus Wasser, Pflanzenfett, Milcheiweiß, Stärke, Aromen und Farbstoffen hergestellt. Die Kosteneinsparungen im Vergleich zu herkömmlichem Käse werden auf rund 40 Prozent geschätzt.

Zweifellos ist es unschön, wenn Lebensmittelproduzenten und Wirte hemmungslos an der Qualität ihrer Produkte sparen, selbst Formvorderschinken als zu luxeriös für ihre Pizzen betrachten und vor allem ihre Kunden belügen und - über den Preis des in der Herstellung weniger teuren Produktes - auch betrügen. Nur: So richtig schlecht kann ich die Forschungsrichtung "Tierproduktimitat" ehrlich gesagt gar nicht finden.

Es ist doch hinreichend bekannt, dass gerade die deutschen Lebensmittelpreise viel zu niedrig liegen, um eine auch nur annährend tiergerechte Fleischproduktion möglich zu machen. Filme wie Unser täglich Brot und We Feed The World zeigen beeindruckend, wie weit es mit der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion mittlerweile gekommen ist, seien es nun leer gefischte Weltmeere oder das mittlerweile perfekt ans Fabrikkonzept angepasste Produkt Huhn. Ebenso klar dürfte sein, dass gerade für das Restaurant-Riesenschnitzel für €4,99 oder die Tiefkühlpizza aus dem Discounter nur die allerbilligsten Bestandteile in Frage kommen, wenn sich das Produkt für den Hersteller/Verkäufer irgendwie rechnen soll - und Biofleisch vom Bauernhof gehört hier sicherlich ebensowenig dazu wie Käse von glücklichen Kühen.

Sicherlich liegt auch im Ackerbau einiges im Argen - man denke nur an geschmacklose Tomaten, Hybridsaatgut und kilometerlange Treibhäuser, die in Andalusien die Landschaft verschandeln. Dennoch halte ich industrialisierte Obst- und Gemüseproduktion im Vergleich für das kleinere Übel: Nicht nur wegen der Vermeidung von Tierleid, sondern auch wegen der größeren "Wertigkeit" der Produkte (gemeint ist hier, dass z.B. eine Kuh viel mehr Kalorien in Form von pflanzlicher Nahrung konsumieren muss als sie selbst nach ihrer Schlachtung zur Verfügung stellen kann).

Und da ich selbst durchaus eine Freundin des gekennzeichneten Fleischersatzproduktes bin, hielte ich es für durchaus wünschenswert, wenn sich solche Produkte in der Allgemeinheit stärker durchsetzen könnten und damit zumindest zum Teil das echte Fleisch ersetzen könnten. Und des weiteren wäre es schön, wenn die Industrieunternehmen mehr Zeit und Energie darauf verwenden könnten, neue, gut schmeckende fleischähnliche Waren zu konzipieren und zu vermarkten. Das könnte durchaus auch auf den Käse ausgedehnt werden.

Die immer wieder kehrenden Fleischskandale der letzten Jahre haben durch ihr schnelles Verpuffen doch eindrucksvoll gezeigt, dass den meisten Konsumenten völlig egal ist, was nun genau in ihrem Döner steckt, so lange er gut schmeckt, preiswert ist und sie nicht vergiftet. Wieso kann der Döner dann nicht gleich aus Seitan sein?

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