Neulich bei Mr. November: The National in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric-Halle

by - November 07, 2013


Warum sind in letzter Zeit so viele gute Konzerte in Düsseldorf? Und wieso ist auf dem für mich langen Weg dorthin eigentlich standardmäßig mit 10 Kilometern Stau zu rechnen? Anders als Woodkid letzten Donnerstag warteten The National in einer traditionellen (Pop-) Konzerthalle auf und hatten, wie man das kennt, eine Vorband dabei. Das nahm der Anfahrt zumindest einiges an Stress, dafür war mir auch bewusst, dass sich der Konzertabend auch entsprechend länger hinziehen würde - was eine kurze Nacht vor einem Arbeitstag bedeutete.

All das nimmt man für eines der hierzulande seltenen Konzerte von The National aber natürlich gerne auf sich, und letztlich trafen wir dieses Mal sogar relativ pünktlich an der Mitsubishi Electric Halle ein. Als Vorband waren This Is The Kit aus Bristol angekündigt worden, deren Auftritt gegen 20 Uhr begann. Streng genommen handelt es sich bei der "Band" wohl um ein Soloprojekt der Sängerin Kate Stables, was wohl auch erklärt, warum zwar vier Personen die Bühne betraten, die Sängerin den ersten Song aber als Solistin am Banjo vortrug. Erst beim zweiten Song fielen nach und nach Gitarre und Bass mit ein, und erst ab dem dritten Lied bekam auch der Schlagzeuger endlich eine Aufgabe.


This Is The Kit machen sehr ruhige, folkige Musik. Das hippiehafte Aussehen von Kate, die in geringelten Wollsocken auf der Bühne stand und einen selbstgestrickt wirkenden Pullover trug (selbst das Kabel ihres Banjo sah verdächtig wie eine Wollschnur aus) ließ mich denken, dass "This Is The Knit" eigentlich auch ein passender Name für das Musikprojekt wäre. Warum ich mich so mit Oberflächlichkeiten aufhalte? Weil ich mit der Musik eher wenig anfangen konnte, sie schien mir auch eher schlecht in eine derart große Halle zu passen.


Ich kann noch beitragen, dass eines der vorgetragenen Lieder "Earthquakes" hieß, ein weiteres nannte sich "Nits" und abgeschlossen wurde das 40minütige Set mit "Bashed Out". Wäre man nach dem Konzert zur Band am Merchandisestand gegangen, hätte man einen Downloadcode für eine Kollektion von drei Liedern (eines von jedem Album, wobei das letzte noch nicht erschienen ist) erhalten können.


Nach zehn Songs und eher höflichem Applaus leerte sich die Bühne wieder. Unser Warten auf den Hauptact wurde recht bald mit einer Art Backstage-Video beendet, das auf einer LED-Wand hinter der Bühne zeigte, wie sich die Band hinter selbiger gerade versammelte und auf den Weg zum Auftritt machte. Später zeigte der Bildschirm teils Bilder von am Bühnenrand angebrachten Kameras, teils Visualisierungen zu den Songs - etwa goldene Regentropfen zu "England" oder rote "Blutflecken" zu "Bloodbuzz Ohio".


Die Herren aus Ohio (mittlerweile eigentlich Brooklyn) trugen allesamt dunkle Anzüge und betraten die Bühne zu siebt (fünf Bandmitglieder plus zwei Bläser). Los ging es mit "I Should Live In Salt" und "Don't Swallow The Cap" vom aktuellen Album "Trouble Will Find Me", das vor allem das erste Konzertdrittel prägte und von dem insgesamt zehn Titel gespielt wurden. Etwas später wurde das ebenfalls neue "Demons" der Vorband gewidmet, von der The National nach eigenem Bekunden Fans sind - wobei Matt Berninger einräumte, der Titel des Songs passe thematisch vielleicht nicht so gut. Noch später versemmelte er den Gesangseinsatz bei "Heavenfaced" und erklärte hinterher, das sei sein Lieblingslied von "Trouble Will Find Me", und ausgerechnet das habe er verkackt.

Berninger wirkte auf mich aufgeräumter als bei früheren Auftritten (ich hatte die Band in der Vergangenheit zweimal in Haldern gesehen, aber noch nie in einem Einzelkonzert). Bei den früheren Konzerten hatte ich stets den Eindruck gehabt, der Sänger sei in einem ungesunden Maß gestört oder auch medikamentenbeeinflusst: Er kletterte geistesabwesend am Bühenrand herum oder flippte völlig - und nicht gesund wirkend - zu den Songs aus. Am Dienstag lief das alles etwas ruhiger ab, dafür gab es zwischendurch immer mal wieder einen großen Schluck aus der Weißweinflasche.


Dennoch tigerte Berninger auch bei diesem Konzert zeitweise unruhig auf und ab, schlug auf das Mikrofon oder das Mikrofon gegen den eigenen Kopf, stieg von der Bühne hinab und lief im Fotografengraben auf und ab. Immer wieder, zum Beispiel in "Squalor Victoria", gab es emotionale Schreiausbrüche und bei "Graceless" sorgte eine solche Eruption dazu, dass Berninger das Mikrofon auf den Boden schmiss und demolierte. Auf The Nationals Facebookseite gibt es ein Foto einer amüsanten Liste, auf der die Crew offenbar abhakt, ob Berninger beim Konzert a) von der Bühne gefallen ist, b) ein Mikrofon zerstört hat oder c) den Mikrofonständer. Zumindest ein weiteres Mikrofon konnte man sicher nach dem Dienstagskonzert durchstreichen ...


Abgesehen vom Sänger besteht die Stammbesetzung von The National bekanntlich aus zwei Brüderpaaren, darunter die Zwillinge Aaron und Bryce Dessner. Am Dienstag nahmen die Dessners mit ihren Gitarren jeweils die vorderen Ecken der Bühne ein. Der, den wir als Bryce identifizierten, wechselte für "Squalor Victoria" und "Fake Empire" nach hinten rechts ans Klavier, während sein Bruder ihn so lange vorne links an der Gitarre vertrat. Gerade als ich glaubte, verstanden zu haben, dass offenbar nur Bryce Klavier spielen kann, nahm aber auch sein Bruder für einen anderen Song daran Platz. Offenbar können die Dessner-Brüder also musikalisch genau dasselbe.


Interessant war auch, dass Bryce zu "I Need My Girl" zusätzlich zu seiner eigenen eine zweite Gitarre in die Hand nahm, die er dazu benutzte, Rückkoppelungen zu erzeugen. Dass er sein Instrument zu anderen Gelegenheiten mit einem Geigenbogen bearbeitete, gehört unter Indiebands ja mittlerweile schon fast zum Standardrepertoire.

In der zweiten Konzerthälfte wurden mehr ältere Songs gespielt, etwa "Cardinal Song" vom zweiten Album "Sad Songs For Dirty Lovers" und "Daughters Of The Soho Riots" von "Alligator". Mit dem Evergreen "Fake Empire" (von "Boxer"), zu dem ich leider publikumsseitig das möglicherweise arhythmischste Mitklatschen meines Lebens ertragen musste, endete der Hauptteil. Die Band kehrte schon bald zurück, überraschenderweise mit einer Coverversion: "Learning" von Perfume Genius. Nach dem wiederum neuen "Humiliation" folgte eine erwartungsgemäß internsiv vorgetragene Version von "Mr. November" - der Song ist einfach gut geeignet, dazu auszuflippen, und Matt Berninger kam diesem Auftrag nach, indem er letztendlich im vor der Bühne landete.


Das wäre eigentlich ein recht passender Abschluss gewesen, aber zu meiner (angenehmen) Überraschung - es hat eben auch etwas durchaus Reizvolles, wenn man die Setliste vor dem Auftritt nicht in- und auswendig kann - folgten anschließend noch "Terrible Love" und, als Rückkehr zum aktuellen Album, "Pink Rabbits". Bei letzterem kamen die Bläser, die sich bis dahin im hintersten Teil der Bühne aufgehalten hatten, nach vorne und sangen auch mit.

Nach den Konzertbesuchen in den letzten Tagen bei Woodkid und den Editors empfand ich es als angenehme Abwechslung, einen Bandauftritt zu erleben, dessen Ablauf nicht ganz und gar durchgeplant zu sein schien. Ein wenig zu sehr herrschten die langsamen Songs vor, was sicher hauptsächlich damit zu tun hat, dass "Trouble Will Find Me" auch ein recht ruhiges Album ist. Kracher wie "Abel" wurden leider ausgespart. Auf Facebook behauptete jemand, die Band sei vom vorangegangenen - und wohl lebhafteren - Auftritt in Berlin noch völlig verkatert gewesen, was natürlich möglich ist. Mir gefiel das Konzert dennoch sehr gut.


Setliste:

I Should Live In Salt
Don't Swallow The Cap
Mistaken For Strangers
Sorrow
Demons
Sea of Love
Heavenfaced
Afraid of Everyone
Conversation 16
Squalor Victoria
I need my girl
This is the last time
Cardinal Song
Bloodbuzz Ohio
Apartment Story
Daughters Of The Soho Riots
England
Graceless
Fake Empire

Learning
Humiliation
Mr. November
Terrible Love
Pink Rabbits

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