Neulich vor dem Wohnzimmerkonzert

by - März 26, 2014

Wohnzimmerkonzerte scheinen ja mittlerweile irgendwie ein Trend geworden zu sein. Lange Zeit kannte ich nur Oliver vom Konzerttagebuch als regelmäßigen Veranstalter "eigener" Konzerte bei sich daheim, zu denen sowohl Freunde als auch interessierte Fremde kamen, zuhörten und etwas Geld für den Künstler zurückließen. In den letzten Jahren habe ich, vor allem durch die anderen Kollegen beim Konzerttagebuch, von mehreren weiteren solchen Wohnzimmerreihen gehört. Eines ist aber all diesen Veranstaltungen gemeinsam: Sie finden an Orten statt, die über eine angemessene Zahl potenzieller Zuschauer verfügen, also meist in Großstädten. Ich lebe mittlerweile auf dem Land. Der Gedanke, sich selbst als Booker, Veranstalter und Gastgeber in einer Person zu versuchen, lag mir unter anderem deshalb mehr als fern.


Vor einigen Monaten las ich aber bei Facebook, wie besagter Oliver berichtete, Pelle Carlberg werde bei ihm in Paris auftreten und stehe auch für Termine in Deutschland zur Verfügung. Eher scherzhaft teilte ich das meinem Freund, der wie ich Carlbergs Musik sehr schätzt, mit, und der war sofort Feuer und Flamme. Pelle sollte auch zu uns kommen! Ich gab zu bedenken, dass Pelle erstens wahrscheinlich keine Lust haben würde, in den Westerwald zu kommen, und dass es doch zweitens ausgeschlossen sei, dass wir ein angemessen großes Publikum für ihn zusammen bekommen könnten. Christoph vom Konzerttagebuch, der ebenfalls hier in der Peripherie lebt, erklärte, er könne maximal fünf Gäste organisieren, bei denen er selbst, mein Freund und ich aber schon eingerechnet seien. Doch mein Freund gab nicht auf. Gut, auf die Einwohner Montabaurs könne man sich in diesem Kontext wohl nicht verlassen, aber er würde Kollegen, Verwandte und Bekannte einladen, insgesamt ließe sich bestimmt auf 20 Gäste kommen. Bei 10 Euro Eintritt würde der Sänger so 200 Euro einnehmen und könnte zusätzlich CDs verkaufen. Ein Hotelzimmer würde mein Freund für ihn buchen und bezahlen. Montabaur hat nicht viel zu bieten, verfügt aber immerhin über ein recht imposantes Schloss samt Hotel.


Mein Freund nutzte ein kurzes Zögern in meiner grundsätzlich ablehnenden Haltung, fragte beim Booker der Deutschlandtournee an und bekam zu meinem großen Erstaunen keine postwendende Absage, sondern einige Rückfragen sowie Terminvorschläge. Spätestens jetzt begann ich, mir Sorgen zu machen. Folgende Schreckensszenarien malte ich mir aus:


  1. Pelle Carlberg würde am Abend vor dem Konzert in seinem Tourneeplan unseren komischen Ortsnamen lesen und sofort absagen.
  2. Es würde kurz vor dem Termin massenhaft Absagen der Gäste geben. Wir würden dann als die Idioten dastehen, die für drei bis vier Personen ein Konzert organisieren.
  3. Am besagte Abend würde es ein Unwetter geben, weshalb ein Großteil der eingeplanten Gäste ausbleiben würde. Wir würden dann als die Idioten dastehen, die für drei bis vier Personen ein Konzert organisieren.
  4. Nachbarn würden die Polizei rufen, wahlweise wegen der Lärmbelästigung, der vielen Autos… und ist es eigentlich erlaubt, bei einer Privatveranstaltung einen Unkostenbeitrag zu verlangen?
  5. Wir würden an der Konversation mit dem Künstler und dessen Unterhaltung vor dem Auftritt scheitern.
  6. Pelle Carlberg hätte eine extreme Katzenhaarallergie und würde entsprechend direkt nach seinem Eintreffen überall anschwellen und dann schnell im Krankenwagen wieder abreisen
  7. Alles würde klappen, aber die Gäste würden die Sache mit dem Unkostenbeitrag nicht so ernst nehmen, und wir würden dem Musiker am Ende des Abends verlegen lächelnd 20 Euro übergeben.


Unbeirrt von meinen Schreckensszenarien verschickte mein Freund Einladungen, erhielt erste Zusagen und wir kauften Unmengen Getränke. Dass sich der Booker zwischenzeitlich tatsächlich länger nicht meldete, wurde mir verschwiegen, was sicherlich auch besser so war. In Frankfurt verwendete ich eine Mittagspause darauf, in einem Asienladen ein paar Flaschen Tiger Beer zu kaufen, denn über diese Marke (und Carlsberg) hat Herr Carlberg ein Lied zu einer tatsächlichen Begebenheit während einer Asientour geschrieben. Die Dekoration mit den beiden Biersorten erschien uns deshalb als eine originelle Idee und sollte auf subtile Art und Weise dazu führen, dass Pelle diesen Song in unserem Wohnzimmer vortragen würde.


Je näher der Abend rückte, desto klarer wurde, dass er wohl tatsächlich stattfinden würde. Wir entdeckten eine Terminliste der Tournee, in der Montabaur zwischen richtigen Städten wie Köln und Paris aufgeführt war. Mein Freund schleppten nach und nach einen Haufen Stühle für die Gäste an, sein Bruder lieh uns ein Mikrophon nebst Verstärker und weiterem Equipment (erstaunlich, was so ein einzelner Mann mit Gitarre alles braucht) und erklärte sich bereit, die Sachen anzuschließen. Fast alle Eingeladenen hatten zugesagt. Das Wochenende vor dem Montag, für den das Konzert angesetzt war, verbrachten wir mit putzen und einer ellenlangen To Do-Liste.


Und so nahm ich mir schließlich den Konzerttag frei und begann am Morgen, Blätterteigsnacks für die Gäste zuzubereiten. Pelle Carlberg sollte abends ebenfalls bekocht werden und hatte unseren vorab gemachten Vorschlag "Penne Arrabiata" zumindest nicht zurückgewiesen. Also verbrachte ich ein paar Stunden in der Küche und konnte mir den Rest der Zeit überlegen, was jetzt noch schiefgehen könnte.

So viel Gelegenheit hatte ich aber gar nicht, mir zusätzliche Schreckensszenarien zu überlegen, denn im Laufe des Nachmittags trafen die ersten Helfer ein, und wenig später fuhr mein Freund zum Hotel, um unseren Stargast zum Soundcheck und zum Abendessen abzuholen. Wie es dann weiter ging, erzähle ich im nächsten Beitrag...

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