Neulich im Opernhaus: Get Well Soon im Mannheimer Nationaltheater

by - Oktober 27, 2016


Zum Geburtstag bekam ich dieses Jahr unter anderem Konzertkarten für die Band Get Well Soon geschenkt. Das hätte mich normalerweise wenig begeistert. Get Well Soon ist zwar klasse, keine Frage, aber mittlerweile höchstwahrscheinlich die Band, die ich am häufigsten live gesehen habe. Auch die aktuelle „Love“-Tournee habe ich bereits besucht und hier darüber berichtet.

Der Auftritt in Mannheim sollte aber etwas Besonderes und auch Einmaliges werden, so dass er auch für Veteranen wie mich höchst interessant war: Das ansässige Orchester des Nationaltheaters unter Leitung von Matthew Toogood hatte die extra für diesen Abend neu arrangierten Lieder des Albums „Vexations“ eingeübt und präsentierte sie nun im Rahmen der Konzertreihe „NTM Pop“ gemeinsam mit der Band im Opernhaus.


Mit der Band? Get Well Soon ist offiziell ein Projekt von Konstantin Gropper mit ihm selbst als einzigem festen Bandmitglied. Dennoch hat man sich über die Jahre bei Liveauftritten an eine feste Bandkonstellation gewöhnt, was die Frage aufrief, was all diese Musiker wohl machen würden, wenn ihre musikalischen Aufgaben von Streichern, Bläsern und so weiter übernommen würden. Die Antwort lautet: Nichts, mit dem Orchester traten lediglich die Groppers, also Konstantin und seine Schwester Verena, auf.


Bereits beim Einlass hatten Besucher ein kleines Programmheft bekommen, dem man entnehmen konnte, dass „Vexations“ nicht von Anfang bis Ende gespielt werden würde, einige Titel (genauer gesagt „Werner Herzog Gets Shot“ und „Angry Young Man“) fehlten. Vorab hatten wir uns bereits gefragt, ob das Konzert nach einer Albumlänge, also einer knappen Stunde, enden würde – nun sah  es fast so aus, als würde der Abend noch kürzer als erwartet werden.


Pünktlich um 8 öffnete sich der Vorhang. Zunächst spielte das etwa sechzigköpfige Orchester eine, auf dem Album-Opener "Nausea" basierende, Ouvertüre. Dann betraten Konstantin und Verena Gropper, für die man am vorderen Bühnenrand Hochstühle aufgestellt hatte, die Bühne. Verena Gropper ist hauptberuflich Sängerin und hat für solche Gelegenheiten sicherlich ein ganzes Repertoire von Abendkleidern. Konstantin Gropper hatte sich ebenfalls einen Anzug und eine Krawatte angezogen, wollte aber offenbar nicht allzu konservativ erscheinen: Die Beine waren leicht hochgekrempelt, und er trug Stiefel im Dr. Martens-Stil. Es folgte das erste Lied des Albums, „Seneca’s Silence“. Verena Gropper merkte man dabei und auch bei den folgenden Liedern ihre Erfahrung als Sopranistin an: Sie sang ganz hervorragend.


Anschließend wandte sich Gropper erstmalig ans Publikum und bedankte sich zunächst beim Orchester, dem Dirigenten und den Arrangeuren Himmelfahrt Scores (Roman Vinuesa, Peter Häublein und Jan Dvořák) für die Umsetzung des Projekts. Anschließend erklärte er, das Album sei nun schon sechs Jahre alt, und er habe sich in die Lieder erst wieder hineindenken müssen, manches verstehe er auch nicht mehr (später zitierte er Werner Herzog: „Es ist alles eine große Metapher, ich weiß nur nicht, wofür.“). Es sei in jedem Fall offenbar eine düstere Phase seines Lebens gewesen (als ob Get Well Soon sonst Karnevalsmusik machen würden!).

Insgesamt wirkte er durchaus aufgeregt, wusste ohne Gitarre offenbar öfters nicht, was er mit seinen Händen anstellen sollte, und fühlte sich mit seiner, im Vergleich zu regulären Get Well Soon Konzerten ausgedehnten Sprechrolle sichtlich unwohl - so zitierte er im Laufe des Abends eine Umfrage, laut der die meisten Menschen lieber sterben würden als öffentlich eine Rede halten.


Eines wurde bei den Erläuterungen zu den Songs recht schnell klar: „Vexations“ ist gespickt von literarischen Anspielungen und Zitaten, die ich nie erahnt hätte. Eine große Rolle scheint der römische Dichter Seneca zu spielen, der quasi der Pate des Albums ist. „A Voice in the Louvre“, das Gropper selbst auf der Ukulele begleitete, bezieht sich auf ein Rilke-Gedicht (Gropper witzelte: „halb Konzert, halb Proseminar!“), „A Burial At Sea“ ist von Moby Dick beeinflusst.

Die neuen Arrangements waren stimmig und schön, und ich meinte auch bei einigen Orchestermitgliedern Freude am Spiel zu erkennen. In einem großen Orchester gibt es ja auch beinahe immer etwas zu beobachten, nur schade, dass man aus unserer Perspektive den Bereich ganz hinten, in dem unter anderem ein interessantes, Glockenspiel-artiges Instrument eingesetzt wurde, nicht richtig sehen konnte.


Nach „That Love“ verließ Verena Gropper die Bühne, „A Buriel At Sea“ und „Aureate!“ bot Konstantin allein mit dem Orchester dar. Nachdem Verena für „We Are Ghosts“, bei dem einige Orchestermitglieder auch als Chor fungierten, zurückgekehrt war, rechneten wir nach diesem Finale damit, dass der Abend zu Ende sei. Tatsächlich schloss sich der Vorhang zu tosendem Applaus, aber schon bald erschien Gropper alleine davor und sang allein „Teenage FBI“, einen ganz frühen Song von 2002, den ich auch gar nicht kannte, der aber auf der „special edition“ von „Vexations“ enthalten ist.


Als man anschließend dachte, nun sei aber wirklich alles vorbei, öffnete sich der Vorhang noch einmal. Die Groppers sangen nun, samt Orchester, doch noch „Angry Young Man“, als offenbar vorausgeplante Zugaben-Überraschung. Anschließend folgten noch etliche Verbeugungen vor dem begeisterten Publikum, auch die Arrangeure wurden auf die Bühne geholt. Ein ungewöhnlicher und sehr schöner Abend!


Setliste:

Ouvertüre (nach Nausea)
Seneca’s Silence
We Are Free
Red Nose Day
5 Steps/7 Swords
We Are Still...
A Voice in the Louvre 
That Love  
A Burial at Sea 
Aureate!
We Are Ghosts 

Teenage FBI

Angry Young Man

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