Nehmt das, ihr Metalbands: Sophia im Frankfurter Zoom

by - November 04, 2016


Nicht an jedes von mir besuchte Konzert kann ich mich nach Jahren noch gut erinnern. An mein erstes - und bis Montag einziges - Sophia-Konzert aber sehr gut: Der Künstler trat als Solist in einem Tonstudio auf, das Publikum saß auf Bierbänken. Und nachdem Robin Proper-Sheppard ausgesprochen empfindlich auf Störungen aller Art reagierte, wagte ich das ganze Konzert lang kaum zu atmen. Ohnehin hatte sich das Publikum bereits dadurch disqualifiziert, dass nur ein Besucher verstanden hatte, dass man sich vorab per Internetabstimmung hätte Lieder wünschen können. Und ach ja, neben uns weinte eine Besucherin bei den traurigen Liedern durch. Weitere Details gibt es bei Interesse hier.

All das geschah 2010, also war es höchste Zeit, sich zu einem weiteren Sophia-Konzert zu wagen. Aktuell ist Mr. Proper-Sheppard wieder auf Tournee, mit seinem aktuellen Album "As We Make Our Way (Unknown Harbours)" sowie - im krassen Unterschied zur letzten Live-Erfahrung - mit Band. Auf der Website wurden die deutschen Tourdaten dabei mit den Worten "Ladies and Gentlemen, Sophia 2.0 are happy to announce that we will be continuing our slow, steady and rather noisier than expected march to a town near you this Fall" angekündigt.


Bevor man sich Gedanken machen konnte, mit wie viel Krach man denn genau zu rechnen war, trat im wie immer sehr dunkel gehaltenen Zoom zunächst das irische Ein-Mann-Projekt I Have A Tribe auf. Er begleitete seine seltsam strukturlosen Lieder (einen Refrain konnte ich bei keinem einzigen ausmachen) am Keyboard, hielt gerne mal eine Note besonders lange oder veränderte seine Stimme. Das Ganze wirkte eher irritierend als schön - man konnte ihm nicht absprechen, dass er seine Musik mit Inbrunst vortrug, Spaß machte sie aber mir nicht.

Nach kurzer Pause kam zunächst das Intro des aktuellen Albums, "Unknown Harbours" vom Band, dann traten fünf Männer auf die dunkle Bühne. Einer von ihnen war Robin Proper-Sheppard, die anderen vier wirkten, als wären sie in ihren frühen Zwanzigern. Eines der Bandmitglieder setzte sich an ein Schlagzeug, der Rest verfügte sowohl über Gitarren (bei einem war es ein Bass) als auch Keyboards. Zu Füßen aller Gitarristen und des Bassisten befanden sich Dutzende Effektgeräte.


Direkt nach dem Intro wurde es auch sofort richtig laut, alle schrammelten auf ihren Gitarren, was das Zeug hielt, und ich griff panisch zu meinen Ohrenstöpseln. Bereits im Vorfeld hatten wir erfahren, dass der erste Teil des Konzerts darin bestehen würde, dass das komplette aktuelle Album gespielt würde. So kam es dann auch, wobei Proper-Sheppard quasi nichts sagte, nur hin und wieder "Thank you". Die gespielten Versionen ließen einen denken, härter könne es aber nun wirklich nicht mehr werden („St. Tropez/The Hustle“) und wurde dann immer wieder eines besseren belehrt („It's Easy to Be Lonely“).

Erst nachdem die Platte komplett gespielt war hielt Robin Proper-Sheppard inne und erklärte, er hätte ein neues Album – welches wir soeben vollständig gehört hätten. Andere Band würden viele Jahre warten, um so etwas zu machen, er habe es einfach schon jetzt getan.


Im folgenden musikalischen Teil wurde Proper-Sheppard gesprächiger und fragte in die Runde, wer ihn eigentlich bereits kenne. Als alle im Publikum jubelten fragte er, wer ihn schon mehr als fünf Jahre kenne, und anschließend, wer ihn erst kurze Zeit kenne. Als sich auf die letzte Frage hin niemand meldete, bedankte er sich sarkastisch: "Thanks so much for bringing your friends along and spreading the word!" Quasi zur Stimmungsverbesserung sagte ein Publikumsmitglied, es gäbe einen deutschen Film, in dem einige von Proper-Sheppards Songs vorkämen. Das war dem Künstler bereits bekannt und er kündigte an, die Lieder auch noch zu spielen, wenn auch nicht sofort (bei dem Film handelt es sich übrigens um Absolute Giganten von 1998).

Ich hielt Sophia eigentlich stets für ein Soloprojekt, bei dem allenfalls Studiomusiker (und eben Tourneebegleiter) zum Einsatz kommen. So ist es vermutlich auch, aber er bezeichnete die Band als „we“, und speziell der Keyboarder, der bei beinahe allen Stücken mitsang, tat das mit großer Überzeugung. Auch die Krachorgien, wurden von allen Musikern extrem enthusiastisch ausgeführt. Aber bei einem Perfektionisten wie Proper-Sheppard ist eine engagierte Begleitband wohl zu erwarten.


Bereits nach „Darkness (Another Shade in Your Black)“, das auch auf Platte recht laut ist, dachte man, nun sei das härteste Lied des Abends aber wirklich vorbei. Weit gefehlt. Proper-Sheppard kündigte „The River Song” an, indem er sagte, früher hätte man ihn verspottet als den Typen von The God Machine (seiner ehemaligen Band), der jetzt nur noch ruhige Trauermusik machen würde. Dieses Lied habe sich im Laufe der Zeit aber verändert, und er behaupte, keine Metalband könne es härter spielen als sie jetzt. Dem kann man im Nachhinein nur zustimmen.

Zu manchen Liedern im zweiten Teil des Konzerts erfuhren wir auch deren Geschichte: „If Only“ schrieb Proper-Sheppard nach seinem ersten Date mit der Mutter seiner Tochter. Diese lebt offenbar in England und er mittlerweile wieder in den USA, und anscheinend hat er bei seinen aktuellen Europa- und Englandbesuchen Probleme bei der Einreise. Deshalb sei „Directionless“, das er schrieb, als seine Tochter erst einen Monat alt sei (nun wird sie 20), für ihn wieder hochaktuell, da er sich nie sicher sein könne, ob er einreisen und sie sehen kann.


Zu „Directionless“, einem von ausnahmsweise drei Zugabesongs, meinte er außerdem, es handele sich um sein anderes Lied vom Absolute Giganten-Soundtrack, aber derjenige, der danach gefragt habe, sei nun sicher gegangen, weil es ihm heute Abend zu krachig gewesen sei. Krachig war es durchaus, aber ein interessantes Kontrastprogramm zu meinem ersten Sophia-Konzert: Zwei unterschiedlicher Auftritte kann es wohl kaum geben!


Setliste:

(Unknown Harbours)
Resisting
The Drifter
Don't Ask
Blame
California
St. Tropez/The Hustle
You Say It's Alright
Baby, Hold On
It's Easy to Be Lonely
Bad Man
Ship in the Sand
So Slow
If Only
Oh My Love
Desert Song No. 2
Darkness (Another Shade in Your Black)
The River Song

I Left You
Bastards
Directionless


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