Gesehen: Juni 2017

by - Juli 06, 2017


Im mittlerweile beendeten "Fernsehballett"-Podcast (eine weitere Staffel ist bereits angekündigt) stellte der Fernsehautor Ralf Husmann als Gast die Serie Rectify vor, von der ich vorher noch nie gehört hatte. Parallel forschte mein Freund auf der Website Metacritic, die Rezensionen von Fernsehserien zusammenfasst und darauf basierend Rankings erstellt, nach den am besten bewerteten Serien - Rectify war ganz vorne mit dabei.

So versuchten wir es also einfach mit der Serie, die man im Rahmen der Sky Box Sets ansehen kann, zumindest die ersten drei Staffeln. Die Handlung: Daniel aus dem ländlichen Virginia wurde mit 19 Jahren verurteilt, seine damalige Freundin vergewaltigt und ermordet zu haben, und saß 20 Jahre in der Todeszelle. Neu analysierte DNA-Beweise stellen zumindest die Vergewaltigung - und somit den gesamten Tathergang - in Frage, so dass Daniel, der mittlerweile 39 ist, frei kommt und wieder bei seiner Mutter einziehen kann. Während Daniel selbst sich im Gefängnis kaum weiter entwickeln konnte und nun ein extrem belesener, gealterter 19jähriger ist, hat sich seine Familie und die Welt an sich verändert: Daniels Vater ist gestorben, seine Mutter seit geraumer Zeit wieder verheiratet. Daniel hat zwei jüngere Geschwister, die er kaum kennt, sowie einen neuen Stiefbruder, dem er noch nie begegnet ist. Die gesamte Familie ist davon zermürbt, 20 Jahre lang gegen Daniels Hinrichtung gekämpft zu haben. Insbesondere seine jüngere Schwester, die einen Hauptteil der Arbeit geleistet hat, hat nun einerseits ihr Ziel erreicht, aber andererseits nun einen komplett fremden Bruder, zu dem sie eine neue Beziehung aufbauen muss - und kein echtes Lebensziel mehr.

Parallel reagiert auch der Ort auf die Freilassung: Während Daniels Familie schon alleine mit Anfeindungen kämpfen musste, brechen diverse Dämme, als der vermeintliche Mörder wieder im Ort umherspaziert. Insbesondere der frühere Staatsanwalt und jetzige Senator Roland Foulkes hat seine Karriere der Tatsache zu verdanken, das er Daniel damals ins Gefängnis brachte - und kein Interesse daran, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung aufkommen könnten.

Die Serie impliziert zwar, dass Daniel wahrscheinlich unschuldig im Gefängnis saß, die Geschehnisse von vor 20 Jahren werden aber nur nach und nach aufgedeckt, und auf ihnen liegt auch nicht das Hauptaugenmerk der Handlung. Stattdessen leuchtet sie aus, was mit einer Familie passiert, wenn sie einer derartigen Katastrophe ausgesetzt ist, und wie ihre Mitglieder hartnäckig versuchen, so etwas Ähnliches wie ein normales Leben zu führen - und dabei meistens scheitern.

Zwei Staffeln haben wir mittlerweile geschafft. Obwohl diese kurz sind (sieben und zehn Folgen) nehmen sich die einzelnen Episoden viel Zeit, sowohl Daniels Erlebnisse als auch die seines Umfeldes zu schildern, zusätzlich gibt es Rückblenden auf seine Zeit im Gefängnis. Auf ihre eigene, langsame, detaillierte Art ist die exzellent ausgedachte und gespielte Serie unglaublich spannend und verdient ihre hohe Wertung bei den Kritikern. Nur bessere Laune macht sie nicht.

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