Neulich beim Familienfestival: A Summer's Tale 2017, Tag 2

by - August 10, 2017


Der Summer's Tale-Donnerstag begann relativ ausgeschlafen, nachdem Die Sterne am Vorabend bereits vor 23 Uhr fertig gewesen waren. Unser erster "Termin" des Tages war wiederum die Waldbühne, wo am frühen Nachmittag die Nürnberger Band A Tale of Golden Keys auftrat.
Das Trio war sicherlich weniger ausgeruht als wir, sie waren nämlich um 6 Uhr morgens von Zuhause losgefahren und hatten somit morgens einen Großteil Deutschlands durchquert. Nicht mit dabei war der der eigentliche Bassist, der sich verletzt hatte, aber der "Ersatzmann" machte seine Sache gut. Für uns spielten sie nun fünf Lieder ihres Debütalbums "Everything Went Down As Planned" sowie vier neue, der Nachfolger erscheint aber wohl erst 2018.


Die ruhige Musik, die mich ein wenig an The Bronze Medal erinnerte, führte die angenehme Stimmung an der Waldbühne, die wir bereits am Vorabend genossen hatten, fort: Menschen hörten zu und picknickten, überall spielten Kinder. Die Band griff die Ausflugs-Atmosphäre auf, indem sie für das letzte Lied die Bühne verließ und auf die Wiese kam, um in Mitten der Zuschauer zu spielen - mit einer scherzhaft betitelten "Choreographie", die darin bestand, dass man sich immer wieder ein wenig drehte, damit jeder, der drumherum stand, die Band auch einmal von vorne sehen konnte.
Geradezu putzig war der "Merchandise-Stand" der Band, der aus einigen T-Shirts bestand, die man zwischen Bühne und Absperrung ausgehängt hatte.



Setliste:

Writings On The Wall 
White
Another chapter 
Punk Rock Hit
Everything Went Down As Planned
In The Far Distance
All Of This
Exhale
Disappearing 
Three Weeks

Anschließend wanderten wir erstmalig zur Konzertbühne herüber, und legten zuvor einen kurzen Zwischenstopp im Zeltraum ein, wo eine 22-jährige das Publikum allein unterhielt. Tash Sultana loopte, beatboxte, sang, spielte Gitarre und Trompete, bediente eine Phalanx von Synthesizern und sicherte sich vermutlich viele Zuschauer für ihre nächsten Konzerte.



Die Hauptbühne wurde nun von Cigarettes After Sex in Betrieb genommen. Einerseits natürlich schön, dass das Festival nun komplett eröffnet hatte, andererseits hätte man sicherlich eine passendere Band finden können, um am hellichten Tag diese Riesenbühne zu bespielen. Cigarettes After Sex wären im Zelt sicherlich viel besser aufgehoben gewesen, denn Gerg Gonzalez' Musik suggeriert Schummerigkeit statt gleißender Sonne.



Ich war froh, dass wir dieses Mal die Möglichkeit hatten, das komplette Set zu sehen (auch wenn es nur für 45 Minuten angesetzt war) - beim Best Kept Secret hatten wir ja nach einigen Liedern Richtung Arcade Fire abwandern "müssen". Allerdings stellte sich bei mir im Gegenzug auch prozentual weniger Begeisterung ein als bei dem unsererseits abgebrochenen Auftritt. Lag es daran, dass Greg Gonzalez in Luhmühlen auf Lederjacke und Sonnenbrille verzichtete und somit dieses Mal optisch nicht ganz so stark mit seiner Musik in Widerspruch lag? Daran, dass seine Bandmitglieder an Schlagzeug und Keyboard so wirkten, als würden sie jeden Moment wegen Unterforderung kündigen, da ihre musikalischen Aufgaben derart leicht zu bewältigen waren? Oder einfach am bereits erwähnten, wenig mit der Band harmonierenden Ambiente? 


Die Musik von Cigarettes After Sex gefällt mir weiterhin gut, ich würde Gonzalez aber vorschlagen, wenn er in sechzehn Jahren das nächste Album vorbereitet (so viel Zeit verging nämlich zwischen Bandgründung und dem ersten Album), vielleicht doch noch ein paar andere Melodie- und Rhythmusarten auszuprobieren. Immerhin konnten wir uns darüber freuen, dass unter den neun gespielten Liedern dieses mal auch „Affection" und „Apocalypse" waren.

Setliste:

Sweet 
Each Time You Fall In Love 
K. 
Sunsetz 
Nothing's Gonna Hurt You Baby 
Keep On Loving You (REO Speedwagon Cover) 
Affection 
Apocalypse 
Dreaming Of You 

Weiter ging es mit einer Lesung im dieses Jahr neu gestalteten Grünen Salon, der nun deutlich grüner - also bewachsener - wirkt und außerdem einen Kamin nebst Sesseln aufwies - schließlich finden hier auch sonst hauptsächlich Lesungen statt: Arno Frank kannte ich vorab nur als einen Namen, der gelegentlich unter Spiegel Online-Artikeln steht, beim A Summer's Tale las er aber keine Kolumnen, sondern aus seinem ersten Roman So, und jetzt kommst du vor. Die offensichtlich autobiographische Geschichte erzählt, wie der kindliche Erzähler gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern mit vom Vater veruntreuten Geld nach Südfrankreich flieht. Der Erzähler ist das älteste Kind und als einziges in der Lage, ansatzweise zu verstehen, was vor sich geht, und dass viele Aussagen der Eltern gegenüber den Kindern, etwa, als die Familie gemeinsam aus einem Hotel flieht, das sie nicht bezahlen kann, extrem beschönigt sind.


Die gelesenen Passagen waren interessant und teils auch lustig, parallel vermittelten sie auch einen Blick in die kindliche Welt der 80er Jahre (etwa, als der Erzähler zum Geburtstag ein Keyboard bekommt, was von der Band Trio und ihrem Hit "Da Da Da" inspiriert wurde). Vielleicht nicht ganz so geschäftstüchtig war, dass man als Zuhörer anhand der gewählten Erzählpassagen die Geschichte des Romans nun größtenteils kennt. Überraschend war auch, dass dieser nicht vor Ort verkauft wurde.

Anschließend trennten sich wieder unsere Wege, mein Freund begab sich zu Dan Croll im Zeltraum, während ich Richtung Luhedeck aufbrach, denn dort war eine Japanische Teezeremonie im Programm.


Das Luhedeck ist ein vom Gelände etwas abgelegenes Zelt, das hauptsächlich für Yoga- und Tanzkurse genutzt wird. Dieses Jahr wurde zudem die umliegende Wiese als "Sommerwiese" genutzt, hier wurde unter anderem Kindertanzen angeboten. Dass die Teezeremonie hier stattfand, überraschte zunächst, war aber durchaus sinnvoll: Hier war es zumindest etwas ruhiger als direkt auf dem Gelände, dass man in diesem Zelt die Schuhe ausziehen musste, passte gut zu Japan und der Blick in die Natur harmonierte ebenfalls gut mit der entschleunigenden Zeremonie.

Organisatorin der Veranstaltung war wieder die Betreiberin des Onlineshops Aji Tee - sie hatte im Vorjahr bereits ein Matcha-Tasting angeboten. Die Zeremonie an sich wurde von Sabine Jansen durchgeführt. Ein richtiger Workshop war das streng genommen nicht, eher eine Demonstration: Sabine hatte zwei der Besucherinnen zu sich auf ein Podest geholt und bereitete für diese, eine offensichtlich streng festgelegten Reihenfolge von Gesten ausführend, je eine Schale Tee zu. Das achtsame Ausführen alltäglicher Bewegungen soll hierbei, ähnlich der Meditation, der geistigen Erholung und Zentrierung dienen.

Nach diesem durchaus interessanten Schauspiel durften die, die Interesse daran hatten, dann noch auf der Terrasse ein Schnapsgläschen Matcha probieren, das uns dabei helfen sollte, den restlichen Festivaltag besonders agil zu überstehen.


Mein Freund besuchte parallel ein Konzert: Dan Croll gehörte gemeinsam mit Thomas Dybdahl am Donnerstag - bei vier gesetzten Konzerten - zu unseren Wackelkandidaten. Den norwegischen Singer/Songwriter hatten wir beim Best Kept Secret Festival bereits aufgrund der vier vorhandenen Bühnen und der sich überschneidenden Auftritte einmal verpasst, diesmal ließen wir ihn sausen, um den kulinarischen Angeboten nachzugehen. Der 27-jährige Engländer musste sich gegen den Workshop „Japanische Teezeremonie“ behaupten, was nur teilweise gelang. Auch andere Festivalbesucher hatten wohl andere Termine, denn das Zelt war nur spärlich gefüllt.

Dan Croll ließ sich davon wenig beeindrucken und spielte sich gemeinsam mit seinen vier Mitstreitern durch ein Set, das sehr ausgeglichen aus seinen beiden Alben „Sweet Disarray“ und „Emerging Adulthood“ zusammengestellt war. Dabei gelang die Live-Umsetzung seiner eingängigen Popsongs etwas rockiger als auf Platte. Apropos: Vinyl und CD scheinen Dan Croll nicht so wichtig zu sein, denn er verwies häufig darauf, dass seine Musik im Internet zu finden sei. Wer dort nun nach Liedern von Dan Croll sucht, sollte es mit „Bad Boy“ und „Tokyo" (neu) und „From Nowhere“ (alt) versuchen, die beim Publikum am besten ankamen. Nach dem letzten Song verabschiedete er sich damit, dass er nun auch noch etwas auf dem Festival abhängen würde.


Setliste:

Compliment Your Soul
Away From Today
One Of Us
Can You Hear Me
Sometimes When I'm Lonely
Bad Boy
Be Alone
Thinkin Aboutchou
Wanna Know
January
Swim 
Tokyo
From Nowhere


Anschließend ging es - wieder vereint - zurück zur Hauptbühne, wo nun die Zeit für PJ Harvey gekommen war. Diese spielte im Grunde dasselbe Konzert, wie wir es bereits vergangenes Jahr beim Down the Rabbit Hole Festival gesehen hatten. Statt damals 17 Liedern hatte sie dieses Mal aufgrund eines kürzeren Slots als Co-Headliner nur Zeit für 14, die Auswahl war leicht verändert: insgesamt fünf Lieder von 2016 waren aus der Setliste gestrichen worden, zwei ("Dear Darkness" und "In The Dark Places") waren neu dazu gekommen, die Reihenfolge der verbliebenen Titel aber weitgehend gleich geblieben.


Insofern war vieles, das beim ersten Mal beeindruckend gewesen war, nun quasi normal: Der gemeinsame Einzug der Band als Bläser- und Trommelzug zu "Chain Of Keys", Polly Harvey dabei mit ihrem Saxophon mittendrin, die große Zahl von Musikern inklusive Mick Harvey, John Parish und Terry Edwards, auch das Aufstellen aller Bandmitglieder am Bühnenrand zum Chorgesang beim letzten Lied "River Anacostia" sowie Pollys lange schwarze Ärmel, nackten Beine und Federkopfschmuck: Kannten wir schon alles.


Dennoch musste ich, die ich eigentlich wenig Interesse an PJ Harveys Musik habe, eingestehen, dass ich langsam mehr Gefallen an dieser sehr theatralischen und einstudierten Form des Konzertes fand, das viel mehr Oper als Rockkonzert zu sein schien.

Beim Publikum kamen am besten die alten Songs "50 ft Queenie" und "Down by the Water" an, ich kann mit den thematisch seltsamen neuen Liedern über Ministerien und Supermärkte mittlerweile eigentlich mehr anfangen. Ebenfalls wie gehabt sagte Polly kein unnötiges Wort (letztes Jahr in Holland hatte sie anlässlich der am Vorabend entschiedenen Brexit-Abstimmung zumindest ein Gedicht vorgelesen), lediglich die Band stellte sie vor.



Setliste:

Chain Of Keys 
The Ministry Of Defence 
The Community Of Hope 
Let England Shake 
The Words That Maketh Murder 
The Glorious Land 
Dear Darkness 
In The Dark Places 
The Wheel 
The Ministry Of Social Affairs 
50ft Queenie 
Down By The Water 
To bring You My Love 
River Anacostia 


Den Abschluss dieses Festivaltages lieferten die Pixies. Obwohl es in den letzten Jahren nicht gerade an Gelegenheiten mangelte, diese Band live zu sehen, handelte es sich für mich um eine Live-Premiere, für meinen Freund zumindest um seinen ersten Konzertbesuch bei den Pixies seit deren Wiedervereinigung. Es lag eher am Zufall sowie der Tatsache, dass der Festival-Donnerstag nicht allzu gut besucht war, dass wir es für diesen Auftritt in die erste Reihe schafften und dort eine perfekte Bühnensicht genossen.


Viel zu sehen gab es dort aber nicht, außer natürlich der Tatsache, dass Black Francis mittlerweile allein recht viel ist... die Bühne an sich war recht aufgeräumt, und es befanden sich neben kleinen Verstärkern nur wenige Musiker darauf. Während Francis zwischen einer E-Gitarre und einer akustischen hin- und herwechselte, beließen es seine Kollegen weitgehend bei denselben Instrumenten. Die mittlerweile dritte Bassistin der Band, Paz Lenchantin, hatte ihren Bass mit Blumen geschmückt.


Mit "Debaser" startete das Set gleich im vollen Tempo, vorne vor der Bühne bildete sich ein kleiner Moshpit - aber, wie beim Festival üblich, waren auch manche Kinder ganz vorne mit dabei.

Die Band spielte insgesamt neun Lieder aus ihrem Album „Doolittle" (davon drei der ersten vier), zur allgemeinen Freude folgte sehr früh „Monkey Gone to Heaven" (letztes Jahr in Köln war dieser Hit ausgelassen wollen ). Die laut meinem Freund fest vorgeschriebenen Handgesten zum Lied beherrschten im Publikum nur wenige.



Alle freuten sich wieder besonders, als später„All I think about now" anfing, weil es wegen seiner ähnlichen Melodie vielfach für „Where is my Mind" gehalten wurde, tatsächlich ist es aber ein Lied, das von Kim Deal handelt und das ganz logisch von ihrer Nachfolgerin Paz gesungen wird und bewusst dem bekanntesten Pixies-Song ähnelt. Auch Schlagzeuger David Lovering bekam etwas zu singen, nämlich "La la Love you".

Das Set endete, nachdem sich die Dixies Schlag auf Schlag durch 25 Songs gespielt hatten, mit dem Song "Into the White", der B-Seite von "Here comes your Man". Passend wurde auf der Bühne und davor unglaublich schnell unglaublich viel Nebel verteilt, so dass das Set tatsächlich im "Weißen" endete und die Band verschwunden war.


Ob es nun am Nebel lag, am Matcha-Tee oder dem Glas Festivalwein, das ich am frühen Abend getrunken hatte: Ich konnte mich plötzlich nicht mehr auf den Beinen halten und besah den Nebel in der Hocke - wo ich mir ziemlich doof vorkam, denn neben uns stand eine etwa Zehnjährige, die den Konzertabend mühelos durchgehalten hatte.

Setliste:

Debaser 
Crackity Jones 
Isla de Encata 
Monkey Gone To Heaven 
Caribou 
Hey 
Mr. Grieves 
Bel Esprit
U-Mass
Subbacultcha 
Um Chagga Lagga 
Cactus
Gouge Away 
Wave Of Mutilation 
I’ve been tired
Tame 
All I Think About Now  
Classic Masher
All The Saints 
Ana
La La Love You 
Here Comes Your Man 
Where's My Mind 
Nimrod's son
Vamos 
Into The White

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